Albumblätter
Ein kleines Fernsehspiel - Produktion, 62 min., ausgestrahlt am 8.6.1993  ©ZDF 1993
Mit Christina Ascher als Luna Mill

Ich wollte immer Opernsängerin werden.
Meine Mutter sagte: "Du hast ja so eine tiefe Stimme, da nimmt dich keiner."
"Es gibt hohe und tiefe Stimmen im Theater", versetzte ich überlegen, "und sie werden alle gebraucht."
"Ja,aber so tief?"
Ich war unbeirrbar. Mit Hartnäckigkeit und Glück errang ich ein Stipendium an der Willard School. Dort machte ich recht gegensätzliche Erfahrungen.
Mein verehrter Lehrer Norman Bell. Er sagte einmal zu mir, als ich Bauchschmerzen hatte: "Gleich wirst du dieses Chorkonzert zum zwölften Mal singen, und es ist verständlich, daß dir deine Bauchschmerzen wichtiger sind. Aber bedenke, es gibt Leute, die dieses Stück heute zum ersten Mal in ihrem Leben hören. Und es gibt Leute, die es zum letzten Mal in ihrem Leben hören. Für beide bist du allein Botschafter dieser Musik, das Bindeglied zwischen ihnen und der Ewigkeit."
In der Praxis beschäftigten wir uns eher mit anderen Verlockungen des Metiers. Wir alle wollten reich und berühmt werden.
Das hier zum Beispiel ist meine Kommilitonin Gloria Peach. Sie war bereits ein Star, bevor sie singen konnte. Andere Studentinnen verehrten sie, kauften für sie ein und halfen ihr beim Lernen.
Das hier zum Beispiel ist meine Kommilitonin Gloria Peach. Sie war bereits ein Star, bevor sie singen konnte. Andere Studentinnen verehrten sie, kauften für sie ein und halfen ihr beim Lernen.
Auch ich war eingeteilt. Ich gab ihr Nachhilfe in Harmonielehre. Leider war sie meistens unkonzentriert.
"Das habe ich nicht nötig. Heute helfe ich dir noch, aber dann muß ich mich um meine eigenen Aufgaben kümmern. Schließlich bin ich nicht weniger begabt als du, und mit Sicherheit werde ich eine größere Karriere machen!"
Mit zweiundzwanzig verließ ich Amerika und ging nach Deutsch­land. Ich konnte vom Singen leben!
Nach einigen Jahren schrieb mein Vater:
„Was machst du eigentlich dort in Germany?“
Ich schrieb zurück: „Ich singe, Paps!“
Nach fünf weiteren Jahren schrieb er:
„Ja, aber was machst du wirklich?“
Bald darauf starb er.
Ab und zu schickte ich meiner Mutter Fotos von mir in verschiedenen Rollen.
„Very nice“, schrieb sie zurück, „aber hast du kein Foto mit einem anderen Kostüm?“;
„Ich sehe, du hast gar keine Zeit für mich. Dabei werde ich bestimmt bald sterben, wie dein Vater, an Krebs, so viel wie ich rauche.“

Und so war es.