Justizpalast
Roman, 2017
Erhältlich als Taschenbuch wie als eBook bei Penguin Verlag

Und jetzt haben wir: DIE JUSTIZ, ein ehrfurchtgebietendes, schwindelerregendes Konstrukt aus Anspruch und Verblendung, Abstraktion und Herrschaftssicherung, Moral und Missbrauch, Redlichkeit und Routine, Zwanghaftigkeit und Zynismus. Nicht zu durchdringen. Man konnte eine Zeit lang an ihr teilhaben als Gast, mehr war nicht zu holen. Die Eintrittsbedingungen: Bereitschaft zu erheblicher intellektueller Anstrengung, Veranlagung zur Eigenbrötelei, Verleugnung des eigenen Temperaments und idealerweise die Kraft zur Infragestellung seiner selbst. (Denn ein guter Jurist kann nur werden, der mit einem schlechten Gewissen Jurist ist. Gustav Radbruch) Immerhin: Prädikat führt zu Privileg. Thirza durfte das Recht mitverwalten, praktisch durch seine Handhabung, physisch als Bedienstete des Landgerichts mit Robe und Schlüssel.

„Ich habe nie einen literarischen Text gelesen, in dem über die Justiz und ihren Alltag, über ihre Protagonisten, über ihr Wesen und Walten, über Sein und Schein, Anspruch und Wirklichkeit so kenntnisreich, so umfassend erfassend und so packend geschrieben wurde wie von unserer Preisträgerin. Ihr Roman „Justizpalast“ ist ein Epos der Wirrungen, Irrungen und Wahrheiten des Justizbetriebs – dargestellt am Leben der Richterin Thirza Zorniger. Es gibt keinen anderen Roman von dieser Art; es gibt in der deutschen Literatur zwar packende Justizreportagen, es gibt treffliche Justizkritik, es gibt die Gerichtsreportage, wie sie in der Weimarer Zeit Paul Schlesinger, genannt Sling, schrieb; seine Prozessberichte waren Miniaturdramen aus dem Justizalltag, durchsetzt mit Spott, Ironie und kluger Belehrung; es gibt die Bestseller-Kurzgeschichten Ferdinand von Schirachs; und es gibt natürlich Heinrich von Kleist, den „Zerbrochnen Krug“ und den Dorfrichter Adam – und es gibt, in Frankreich, Balzac. Aber so einen profunden Blick in den deutschen Justizapparat gab und gibt es bisher nicht.

Heribert Prantl in der Laudatio zum Wilhelm-Raabe-Preis 2017