Warum Fräulein Laura freundlich war
Über die Wahrheit des Erzählens, Essay 2006
Erhältlich als Taschenbuch wie als eBook bei B.o.D.(Book on Demand)

Alle folgenden Fragen wurden mir in Lesungen gestellt.

- Haben Günter Grass und Marcel Reich-Ranicki Ihnen gegenüber auf „Fräulein Laura“ reagiert?

PM: Nein.

- Enttäuscht Sie das?

PM: Nein, ich hatte es nicht erwartet. Das Buch richtet sich nicht an sie, sondern an die Leser.

- Aber Sie kritisieren doch ihre Bücher.

PM: Nein, das tue ich nicht. In den tieferen Schichten ihrer Erzählungen liegt eine Angst, die auch unsere Angst ist, und nur wenn wir diese Angst freilegen, begreifen wir, was diese Prosa (und uns) bewegt. Es ist ja die besondere Chance der Literatur, über den schonenden Umweg durch andere Seelen uns selbst näherzukommen.

- Näherkommen, lernen, verstehen – muß denn das sein? Geht es wirklich nur darum in der Literatur?

PM: Nein, das ist nur ein bestimmter Aspekt. Aber genau diesen Aspekt untersuche ich: wie Wahrheit sich in der Sprache auch gegen starke seelische Widerstände durchsetzt. Die drei Bücher von Andersch, Reich-Ranicki und Grass habe ich für diese Untersuchung ausgewählt, weil sich ihn ihnen besonders mächtige Ängste besonders auffällig verbergen. Da diese Ängste auch unsere Ängste sind, wurden die Auffälligkeiten bis heute in der allgemeinen Lesart ignoriert, und hier setze ich an. SAPERE AUDE, um es kurz zu sagen.

- Wie hat die Presse reagiert?

PM: In den ersten Tagen nach Erscheinen sehr lebhaft, mit Gratulationsmails, Interview- und Abdruckanfragen. Dann war schlagartig Schluß: Es gab weder Interviews, noch Abdrucke, noch Besprechungen in Literaturzeitschriften, noch Rezensionen in überregionalen Feuilletons, außer in der „Süddeutschen Zeitung“. Das änderte sich auch nicht, nachdem ich den Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung erhalten hatte.

- Enttäuscht Sie das?

PM: Eine solche Situation ist für den Autor heikel, denn ein Buch, das nicht besprochen wird, wird auch nicht gelesen.

- Wie erklären Sie es sich?

PM: An mangelndem Interesse der literarischen Öffentlichkeitkann es nicht gelegen haben, denn in diesen Tagen schrieben die Feuilletons seitenweise über Grass' SS-Vergangenheit. Auf eine solche Verstrickung war ich in meinem Essay ohne Vorwissen, nur durch unbefangenes Lesen gekommen, das Buch trug also zur Diskussion etwas bei. Das wurde auch von den Rezensenten so gesehen, die sich an mich wandten und dann nicht schrieben oder nicht gedruckt wurden.